MTV-Nautilus unterwegs

Besichtigung des Massengutfrachters
MS WESER STAHL

Fast jeder, der oft an der Weser spazieren geht, kennt sie: MS WESER STAHL. Das Schiff kommt regelmäßig die Weser herauf mit Eisenerz für die Stahlwerke Bremen. Und dieses Schiff konnten wir dank der Vermittlung der unserem Verein angehörenden Weserlotsen nun besichtigen. Am einem Sonntagabend (23.10.2005) ging es dann los. Das Schiff war gegen 19 Uhr mit dem Hochwasser eingetroffen. An Bord hatte es eine Ladung Eisenerz, die mit Eisenbahnwaggons aus Schweden zum Umschlag nach Narvik gebracht und dort an Bord der WESER STAHL verladen wurde.

Um 20 Uhr trafen wir uns mit 16 Leuten am Tor der Stahlwerke Bremen, um dann gleich vom Werksschutz zurechtgewiesen zu werden - unsere Autos hätten auf dem Besucherparkplatz nichts zu suchen, der sei nur für Kurzzeitparker da. Ja - wir wollten da eigentlich auch nicht übernachten! Dann stellte sich aber heraus, dass wir mit den Autos ins Werk fahren

konnten, wir mussten uns gegen Abgabe des Personalausweises allerdings jeweils mit einem Schutzhelm ausrüsten.

So ausstaffiert ging die Fahrt in die Dunkelheit los, weit entfernt sahen wir hell erleuchtete Betriebsteile, bis wir dann direkt an den Hochöfen vorbei fuhren. Auf dem Hochofenparkplatz ließen wir die Autos stehen und suchten uns unseren Weg wieder weitgehend im Dunkeln auf einem unbeleuchteten Weg Richtung Pier. Die hell erleuchteten Hochöfen so aus der Nähe waren schon ein imposanter Anblick!

Oben auf der Pier hatten wir den ersten Ausblick auf die WESER STAHL, ebenfalls im strahlenden Scheinwerferlicht. Sie ist 192,21 m lang und 35,26 m breit, hat einen Tiefgang von 10,76 m, 23564 BRZ und eine Tragfähigkeit

von 47257 tdw. Es ist ein selbstlöschender Massengutfrachter mit 5 Luken und gehört der Hamburger Reederei Bernhard Schulte. Als Korrespondenzreeder fungiert die Atlantic Marine Shipping Co Ltd, Hamilton. Abgeliefert wurde das Schiff im November 1999 von der Hyundai Mipo Dockyard in Südkorea. Der Heimathafen der WESER STAHL ist Limassol, Zypern.

Wir wurden vom Chief Officer und seinem Vertreter begrüßt und in der Messe kurz informiert, um dann in zwei Gruppen über das Schiff geführt zu werden. Zuvor kamen aber noch zwei sehr gut aussehende, junge Kapitäne (es war gerade Crewchange) und begrüßten uns.

Mit dem Chief Officer ging es dann über das Deck. Er erklärte sehr gut und ausführlich in englischer Sprache. Das Schiff hat fünf MacGregor-Luken, die nach unten hin trichterförmig ausgebildet sind. Unten an den Trichtern kann eine Falltür geöffnet werden, die Ladung fällt dann auf ein Förderband, wird über verschiedene Systeme bis in Deckshöhe transportiert und ab dort über einen Ausleger an Land geleitet, wo sie zu Boden fällt. Von Land aus ist keinerlei Hilfestellung nötig. Je nach Ladungsart können 4500-5000 t in der Stunde entladen werden.

Uns wurden alle technischen Räume an Deck gezeigt, die Klimazentrale, der Feuerschutzraum und vorne im Bug der Materialstore. Dann ging es für Mutige vorne im Bug 15 m auf engen Treppen auf das Tankdeck, um ganz unten zwischen den beiden Förderbändern entlangzugehen. Hier standen auch mehrere Leute, die den Löschvorgang an den Bändern beaufsichtigten und gelegentlich ein Rüttel-

system in Gang setzten. Als die Mutigen dann wieder oben waren, mussten sie erst einmal nach Luft schnappen ;-), das war ein kostenloses Fitnessprogramm. Uns wurde dann noch erklärt, dass das Schiff keinen Kiel hat, sondern unten nur eine plane Fläche und infolgedessen bei Seegang sehr unangenehm rollt.

Auf dem Rückweg zum Heck des Schiffes konnten wir dem Offizier Löcher in den Bauch fragen. Wir besichtigten dann noch den Cargo Room, in dem zwei Leute die Entladung beaufsichtigten. Auf einem Monitor war über eine Kamera der Schüttvorgang an Land zu sehen, auf dem Computerbildschirm der genaue Verlauf der Entladung.

Wieder in der Messe, wechselten wir den Führer und dieser zeigte uns zunächst einmal die Brücke. Das Funkgerät kam mir bekannt vor - Shipmate RS,

ein auch auf Yachten durchaus übliches Gerät - allerdings hatten sie hier davon mehrere. Durch das AIS (Automatic Indentification System) werden mit einem Furuno-Gerät alle Schiffe angezeigt, die sich in der Nähe befinden, inkl. deren genauen Standort und Abmessungen, Namen etc. Kann ja auch ganz praktisch sein. Ansonsten war die Ausstattung der Brücke zweckmäßig und schlicht, nicht übertechnisiert.

Von der Brücke ging es dann über die verschiedenen Decks abwärts. Wir sahen die Kapitänskajüte und die des ersten Offiziers (relativ geräumig), den Fitnessraum mit Crosstrainer und Tischtennisplatte, die Messen der Offiziere und der Besatzung, die Wäscherei, den Fernsehraum, Umkleide- und Sanitärräume, das Brückenbüro und auf besonderen Wunsch einer einzelnen Dame auch die Kombüse - aber keine Besatzungsunterkünfte. Gut, danach hat aber auch keiner gefragt.


Auf diesem Schiff fahren 27 Männer, zum größten Teil aus Indien. Das Durchschnittsalter der Besatzung scheint relativ niedrig zu sein. Die Kapitäne fahren vier Monate und haben dann vier Monate frei, die Offiziere fahren 6 Monate und haben vier Monate frei und die Besatzung fährt neun Monate und hat drei Monate frei. Hierarchie ist eben wichtig.

Dann ging es weiter in die Maschinenräume. Sie wirkten sehr großzügig und sehr sauber. Das Schiff hat zwei MAN-Hauptmaschinen 9L32 mit 8672 kW Leistung und kann eine Geschwindigkeit von 12 kn erreichen. Das Antriebssystem besteht aus zwei PODs, d.h., das Schiff hat kein herkömmliches Ruderblatt, sondern wird von zwei schwenkbaren, verstellbaren Propellern angetrieben und gesteuert. Zusammen mit dem Bugstrahlruder kann das Schiff praktisch „auf dem Teller" drehen. Der Maschinenleitstand war natürlich vor

allem für die Techniker sehr interessant.
Angrenzend an den Maschinenraum befinden sich noch eine große Werkstatt sowie ein Farbenlager.

Insgesamt macht das Schiff einen sehr zweckmäßigen Eindruck, es  ist eben ein reines Arbeitsgerät. „Überflüssiger" Luxus war nicht zu sehen und gemütlich nach deutschem Verständnis wirkte es auch nicht - aber das muss es ja auch nicht.

Nachdem wir uns in der Messe alle wieder getroffen hatten, verabschiedeten wir uns von den netten Offizieren. Insgesamt waren wir über zwei Stunden auf dem Schiff herumgelaufen und nach einem wieder beeindruckenden Rückweg durch die nächtlichen Industrieanlagen (direkt neben uns fuhr ein frisch befüllter Kokillenwagen mit flüssigem Roheisen

vorbei und der nächste wurde gerade beladen) waren wir gegen 23 Uhr wieder am Werkstor, wo inzwischen die Belegschaft Schichtwechsel hatte und ein wesentlich netterer  Werksschutzmann die Helme wieder einsammelte.

Alles in allem war es ein sehr informativer, gut organisierter und unterhaltsamer Abend.

© Fotos und Text:

Anke B. Krohne